Entwurf für den öffentlichen Wettbewerb zur Neugestaltung des NS-Kriegerdenkmals am Reeser Platz in Düsseldorf
zusammen mit Milica Lopičić
Auf dieser Seite stellen wir aufgrund des öffentlichen Interesses und zur besseren Zugänglichkeit noch einmal unsere Einreichung zur Verfügung.
Öffnen des Denkmals
Wir schlagen vor, das 39er-Denkmal zu öffnen. Der bislang versperrte zentrale Raum wird der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und durch das Denkmal hindurch ein Weg zwischen den beiden bisher getrennten Teilen des Reeser Parks eröffnet. Im Innenraum des Denkmals findet sich Platz für Informationen und weiterführende Inhalte, so dass aus ihm ein Ort des Lernens und der Erinnerung wird.
Bestandsaufnahme
Prämisse des Konzepts ist, dass die hinter dem Nationalsozialismus stehende Ideologie kein historisch abgeschlossenes Phänomen ist, sondern weiterhin blüht und gedeiht, größtenteils außer Sicht- und Reichweite der Gesellschaft.
Diese Problematik konzentriert sich wie in einem Brennglas in dem zentralen Raum des Denkmals. Er ist einsehbar, aber nicht der Öffentlichkeit zugänglich und erinnert damit an den Chorraum einer Kirche. Dieses „innere Heiligtum“, mit seiner Altar- oder Opfertisch-ähnlichen Einrichtung und der Andeutung einer unterirdischen Grabkammer bildet den Kern der kriegsverherrlichenden Todeskult-Aussage des Denkmals.
Der Grundaufbau des Denkmals deutet auf ein Tor oder auf eine Art Durchgang hin, doch dadurch, dass das Tor geschlossen und mit dem Eisernen Kreuz versiegelt bleibt, wird auch bildsprachlich jede Bewegung verwehrt, die nicht entlang derer der marschierenden Soldaten stattfindet. Der Vorplatz wird vollkommen von der martialischen Ästhetik des Denkmals dominiert und ist auch durch die Wegführung nur eingeschränkt nutzbar. Damit bleibt er ein Aufmarschplatz. Ähnlich verhält es sich mit dem hinteren Teil des Parks, der in mehr als einer Hinsicht im Schatten des Denkmals liegt. Der gesamte öffentliche Raum des Parks ebenso wie der Siedlung ringsum krankt daran, dass symbolisch wie pragmatisch freie Zugangswege abgeschnitten sind.
Öffnen als künstlerisch-kritischer Kommentar zum Denkmal
Es scheint es uns dringend notwendig, der demokratischen Öffentlichkeit Zutritt zu allen Bereichen des Denkmals und des Reeser Parks zu gewähren. Es darf keine Schutzräume mehr geben für die menschenverachtende Ideologie, die hinter der Gestaltung des 39er-Denkmals steht.
Dazu schlagen wir vor, den quasi-sakralen inneren Raum des Denkmals zu öffnen und der Öffentlichkeit Zugang zu gewähren. Dort ist nichts Heiliges. Diese Aussage wird noch dadurch verstärkt, dass im Bereich des neu geschaffenen Durchgangs die Stufe entfernt wird, so dass man barrierefrei von einem Bereich des Parks in den anderen gelangen kann. Es wird ein neuer, strukturierter Betonboden eingelassen, der die Intervention in den historischen Baukörper taktil wie visuell erfahrbar macht, und durch seine Unebenheit zum Verlangsamen und Innehalten mahnt.
Ein integrativer Ort des Lernens und der Erinnerung
An den Innenwänden des Durchgangs werden mehrere vielsprachige Informationstafeln angebracht, darunter eine, die die Aussage der aktuell vor dem Denkmal befindlichen Plakette aufnimmt und erweitert.
Darüber hinaus möchten wir in Zusammenarbeit mit der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf Beiträge von Historiker*innen aus denjenigen Ländern bzw. Städten in Auftrag geben, die auf der Vorderseite des Denkmals eingraviert sind, weil sie vom 39er-Regiment überfallen wurden. Diese Texte sollen exemplarisch aus den Perspektiven der jeweiligen Länder die militärischen Operationen kontextualisieren. Die Orte liegen heute in den sechs Staaten Polen, Weißrussland, Ukraine, Russland, Belgien und Frankreich, woraus sich die Anzahl der in Auftrag zu gebenden Beiträge ergibt.
Ziel ist wiederum eine Öffnung: Die Erweiterung der bisher ausschließlich deutschen geschichtswissenschaftlichen Sichtweise auf eine Vielzahl von internationalen Perspektiven.
Neben den Texttafeln wird der Originalzustand des Denkmals im Bild dokumentiert, damit die Intervention klar als solche erkennbar bleibt.
Aus Platzgründen können nicht alle sieben Texte in allen sieben Sprachen am Denkmal angebracht werden, so dass wir uns vor Ort auf Englisch, Russisch, Französisch und Deutsch beschränken. Eine eigens eingerichtete Webseite, leicht zugänglich über z.B. einen QR-Code, bietet Platz und Öffentlichkeit für die Gesamtzahl der Texte und ihrer Übersetzungen. Dort findet sich außerdem neben der im Vorfeld erarbeiteten Geschichte des Ortes ein Statement zu den künstlerischen Beweggründen für die Öffnung des Denkmals.
Öffnen als raumplanerische Maßnahme
Durch den neu geschaffenen Durchgang werden die beiden Hälften des Parks miteinander verbunden, so dass er für Anwohner*innen und Stadtgesellschaft besser nutzbar wird. Die zwei Realitäten des Spielplatzes und des Gefallenendenkmals werden nicht mehr voneinander getrennt gehalten, sondern in ihrer Koexistenz erfahrbar. Die Unterscheidung in „vorderen“ und „hinteren“ Teil des Parks wird weniger dominant.
Der Erhalt der Bäume ist ein wesentlicher Teil des künstlerischen Konzepts. Die derzeitige "Wildnis" hinter dem Denkmal wird jedoch ein wenig ausgelichtet, so dass sich auch seitlich des Denkmals Blickachsen zwischen den beiden Teilen des Areals eröffnen. Uneinsehbare, "unheimliche" Ecken werden einsehbar.
Weitere raumplanerische Empfehlungen
Da uns viele Informationen zu den Bedarfen der Anlieger fehlen ebenso wie genaue topografische Angaben zum gesamten hinteren Teil des Areals, treffen wir keine Entscheidungen, wie genau dieser neu zu gestalten ist. Wir empfehlen dass er als Erholungsgebiet und Grünanlage erhalten, jedoch neugestaltet wird, und dass die Anwohner und derzeitigen Benutzer dabei involviert werden. Auf der Basis der uns vorliegenden Informationen empfehlen wir jedoch jetzt schon einige Maßnahmen:
– Entfernen der Schienen und Nivellierung des Terrains: Die Hauptverkehrsachse zwischen den Wohngebieten zu beiden Seiten führt direkt durch den Park. Es ist aber aufgrund von vertikalen Hindernissen wie Treppen und Verwerfungen rund um die alten Straßenbahngleise nicht möglich, barrierefrei hindurch zu gelangen. Da der Höhenunterschied zwischen der Hermann-Weill-Straße und der Reeser Straße nur ungefähr 30-70 cm beträgt, ist es möglich, das Terrain zum Zweck einer besseren Zugänglichkeit und Nutzbarkeit zu nivellieren.
– Modernisierung und Ausbau des Spielplatzes
– Erhalt aller schützenswerten Bäume
– Umgestaltung der dicht bewachsenen Flächen (hinter dem Denkmal und am nördlichen Ende des Areals) zu einem vogel- und insektenfreundlichen Lebensraum
zur Verwendung vorgeschlagene Materialien, Abmessungen, Oberflächen, Gewichte
– Strukturierte Betonmatrize, 450 cm x 305 cm. Eingebracht als neuer Boden an Stelle der entfernten Stufe. Struktur aus ca. 6 x 6 cm breiten und 1,5 cm hohen Pyramiden, von der Firma Reckli nach unserer Gestaltungsvorlage produziert. Die Intervention der Entfernung der Stufe wird damit taktil und visuell erfahrbar.
– Vorproduzierte (glatte) Betonformteile, sonst aus demselben Material, in den Innenseiten des Durchgangs, entlang der Schnittseiten, an denen nach Entfernung der Stufe ein Stück Wand fehlt.
– Vielsprachige Informationstafeln, Siebdruck auf Edelstahl.
Lebensdauer, Pflegeaufwand, Wartung und Schutz vor Vandalismus
Sämtliche Materialien sind wartungsfrei, widerstandsfähig und bedenkenlos für den öffentlichen Raum geeignet.
Zustand des 39er Denkmals im Dez. 2019
Visualisierung des geöffneten Denkmals inkl. Boden aus Betonmatrizen