Edelstahl, 147 x 132 x 0,8 cm
2014
Halb quer über einen Weg steht eine Scheibe aus rostfreiem Stahl. Sie hat das default-Grau von 3D-Programmen und wirkt ein wenig fehl am Platz. Ein bisschen wie eine Erscheinung aus einer anderen Welt.
Ausgangspunkt ist eine digitale Fotografie, die ich von einer Parabolantenne gemacht habe. Die Antenne ist Teil einer Anlage, die der Bundesnachrichtendienst in Schöningen nahe Braunschweig betreibt und die (laut Erkenntnissen die erst seit kurzem öffentlich sind) der Überwachung von Satellitenkommunikation dient.
Inzwischen gibt der BND zu, dass er dort eine Aufklärungsstation betreibt. Vorher hieß es, dort arbeite das "Bundesamt für Fernmeldestatistik", ein Tarnname. Ich selber bin in einem Nachbarort aufgewachsen. Niemand hatte eine Ahnung, und es wäre auch kein Thema gewesen. Erst im Zuge der andauernden Enthüllungen über die grundgesetzwidrigen Aktivitäten der Geheimdienste der westlichen Nationen sah sich der BND zu einer "Transparenzoffensive" genötigt, in deren Zuge dann auch das Türschild ausgetauscht wurde. Damit scheinen die abstrakten Machenschaften der Geheimdienste in greifbare Nähe gerückt. Nur, was dort eigentlich passiert: das Mitschneiden sämtlicher Kommunikation, das Unterminieren von Sicherheitsstandards, das Infiltrieren, Infizieren usw. wird immer noch nicht zugegeben. Es ist auch immer noch nicht begreifbar gemacht, und es wird wohl auch abstrakt bleiben. Diese Arbeit spielt sich im Netzwerk, als mathematische Berechnungen in den Arbeitsspeichern ab und ist der unmittelbaren Wahrnehmung nicht zugänglich.
Ähnlich unzugänglich ist auch die Arbeit der Software, die benutzt wurde, um zum Artefakt der Stahlscheibe zu gelangen. Die Fotografie wurde in einer ganzen Reihe von Programmen immer wieder umgerechnet, und zum Schluss in ein Format gebracht, das von einem Laser verarbeitet werden kann. Dieser hat die entstandene Datei dann in die Stahlplatte geschnitten. Aber das wiederholte Übersetzen in die mathematischen Räume der Programme und der letztendliche Weg zurück in den von Menschen bewohnten Raum hat seine Spuren hinterlassen. Die geometrisch perfekte Halbkugel der Satellitenschüssel ist durch das Fotografieren verflacht, und die perspektivische und kameraoptische Verzerrung im Moment der Aufnahme hat eine unregelmäßige Form hervorgebracht. Der Maßstab stimmt auch nicht, die Scheibe ist zu klein.
Vom Foto sind noch die Pixel der Bitmap erkennbar. Der schwere Kopf des Laserschneide-Geräts, das die Vektoren der Datei abfährt, erzählte man mir, hätte stundenlang "gezittert", um die Pixel darzustellen. Vom Edelstahl-Plasma sind im rostfreien Stahl rasiermesserscharfe Grate zurückgeblieben.
Vom dreidimensionalen Original ist nur noch eine flache, funktionslose Scheibe übrig. Die Richtung, aus der man sich ihr nähert, bestimmt, ob es möglich ist, das Vorbild der Parabolantenne zu erkennen. Ein Vexierbild, bei dem die Perspektive den Unterschied macht. Am Leichtesten fällt das Lesen als räumlicher Körper auf einem frontal aufgenommenen Foto. Vor dem Objekt selbst steht man erst einmal ratlos und unsicher.
Was passiert bei diesem Vorgang des Entschlüsselns, der stattfindet, wenn man begreift, dass es hier ein fotografisches Vorbild gibt? Handelt es sich bei der Stahlscheibe also um eine Art von Abbild, oder entsteht ein Modell im Kopf? Ist das Objekt eine Reproduktion der Parabolantenne in Schöningen? Oder ihr Geist?
Projektion (BND)