Funktioniert es?
Wenn zur Diskussion steht, ob ein Kunstwerk ein stimmiges Gesamtbild ergibt, war ein nicht näher definiertes „Funktionieren“ lange Zeit der Prüfstein. Ich nehme den Ausdruck wortwörtlich. Alle meine Arbeiten sind performativ. Es sind Anordnungen*. Erst werden die Bestandteile und deren Beziehungen ausgerichtet, dann ausgeführt. In der Art und Weise wie sie ein Bild zeichnen, entstehen Ausführungen.
Gestalterische Elemente haben immer auch eine Funktion und beziehen aus dieser ihre Daseinsberechtigung. Der Logik des Ausstellung als kybernetischer Maschine folgend wird das Publikum nicht nur beteiligt, sondern zum fest eingebauten, funktionalen Bestandteil. Von ihm geht alle Energie aus.
Das Werk nimmt dem Betrachter ein wenig von der Freiheit, selbst zu entscheiden, wie es sich zu ihm verhält. Bei Hop 3 (2016) kann man nur noch zwischen zwei Übeln wählen: Entweder man ruft an und fügt sich freiwillig dem sozialen Graphen William Binneys hinzu. Keine angenehme Vorstellung, sich gegenüber den Geheimdiensten auffällig zu benehmen. Oder man lässt es bleiben, und muss mit sich selbst ausmachen, ob man nicht schon eingeschüchtert ist. So wird man verstrickt, und hat eigentlich von Anfang an verloren.
Ebenso nutzt die Übung (2014/16) das fügsame Verhalten des Kunstpublikums aus und nötigt es zu einem kilometerlangen Marsch durch Museumsräume. Es steht ihm frei, zu revoltieren und aus dem Labyrinth auszubrechen. Dann bringt es sich aber mit dem freiwilligen Ausschluss aus der Gemeinschaft um das erlösende Moment am Ende der Performance. So wird passiver Konsum unmöglich. Das Publikum ist gezwungen, sich zu positionieren. Kritische Distanz wird durch diese Art von Clinch erschwert; gleichzeitig nimmt Humor der Kunst die Schwere.
Partizipation ist eins der zentralen Versprechen der Digitalisierung. Mit der Ausübung von Zwang spiegelt das Werk den Modus wider, in dem partizipiert wird. Es ist zwar denkbar, sich zu verweigern, aber nur zum Preis der Selbstmarginalisierung. „Freiwilligkeit“ bekommt einen hohlen Beiklang. Anstelle der traditionellen hierarchischen Gewalt, ausgeübt durch disziplinarische Institutionen, tritt eine weiche, in Peer-to-Peer-Strukturen ausgeübte Netzwerkmacht, die Konformität verlangt. Das trifft auf Wissenschaftler zu, die sich den Standards für wissenschaftliche Veröffentlichungen („Papers“) beugen müssen, genauso wie auf Nutzer sozialer Netzwerke. Wer teilhaben will, muss die Protokolle und Konventionen akzeptieren; wer sich weigert, bleibt unsichtbar, gleichermassen nichtexistent. Brüche der Konformität werden nicht geahndet, weil sie nicht bemerkt werden. Die genannten Arbeiten reflektieren diesen Modus von Teilhabe.
Es werden keine Anweisungen gegeben sondern nur noch Voraussetzungen konstituiert: das Werk funktioniert, wenn es erfolgreich Bedingungen erstellt, die die Betrachter „freiwillig“ die Arbeit ausführen lassen. Es stellt sich die dringende Frage nach dem selbstbestimmten, verantwortungsvollen Handeln.
März 2017